"Pee Power" - Urin sorgt für Strom beim Festival

21. Juni 2017, 15:33 Uhr

Sch****, mein Handy ist alle

Festivalzeit - klar immer geil. Aber echt so ein kleiner Abfuckmoment jedes Mal ist, wenn unseren Smartphones der Strom ausgeht. Mega-Nerv. Wie cool wäre es da, wenn wir unsere Handys einfach selber aufladen könnten. Bzw. Mit uns selber. Also ganz konkret gesagt: Mit unserem Pipi. Kein Scherz: Das haben Wissenschaftler aus Bristol vor. Und nicht irgendwo, sondern da wo natürlicherweise einfach viel Urin rumkommt: Auf dem Glastonbury Festival.

Strom aus Pipi

Beim weltberühmten Glastonbury Festival im Südwesten Englands wird in diesem Jahr erstmals im großen Stil aus dem Urin der Besucher Strom erzeugt. Wie das britische Nachrichten-Portal Metro schreibt, steht wenige Meter von der Hauptbühne entfernt eine Pissoir für 40 Personen, in dem unter anderem der Strom für Info-Displays erzeugt wird. Eine zweite etwas kleinere Toilette liefert Strom für Licht und das Laden von Smartphones.

Mikrobielle Brennstoffzellen

Kern der Anlagen sind spezielle Brennstoffzellen. In ihnen werden die organischen Substanzen im menschlichen Urin mithilfe von Mikroorganismen in Energie umgewandelt. Völlig neu ist das Verfahren nicht. Bereits 2013 hatten Wissenschaftler der Universität Bristol die von ihnen entwickelte Technologie vorgestellt. Damals waren Handy-Akkus per Toilettengang aufgeladen worden.

Anfang 2015 wurde auf dem Campus der Hochschule im Südwesten Englands die erste stromerzeugende "Pee Power"-Toilette mit mikrobiellen Brennstoffzellen in Betrieb genommen. Seither kam die Technologie auch beim Glastonbury Festival zwei Mal zum Einsatz – allerdings nur im kleineren Rahmen.

Erster Großeinsatz zur Urin-Verstromung

Einen Großeinsatz von "Pee Power" gab es bisher noch nie. Das ist in diesem Jahr in Glastonbury weltweit zum ersten Mal der Fall. Dabei geht es vor allem darum, die Einsatzfähigkeit und Zuverlässigkeit der Urin-zu-Strom-Technologie im Massenbetrieb unter Beweis zu stellen. Ioannis Ieropoulos vom Bioenergy Centre (BBiC) der Uni Bristol, das das Großprojekt geplant und umgesetzt hat, sagte dem Nachrichten-Portal Metro dazu: "Das Glastonbury gibt uns die Chance, unsere Technologie tausenden Menschen zu zeigen."

Zugleich liefern die zigtausend Festival-Gäste den Grundstoff für die Stromerzeugung. Die Wissenschaftler schätzen, dass in Spitzenzeiten am Tag bis zu 1.000 Liter Urin durch die Brennstoffzellen der "Pee Power"-Anlagen in Glastonbury fließen.

Urin-Strom für die dritte Welt

Die Weiterentwicklung der Technik für den Großeinsatz wurde von der "Bill & Melinda Gates Foundation" unterstützt. Die Stiftung will in Kürze ein weiteres Großprojekt für die Urin-Verstromung in Uganda vorstellen.

Auch der internationale Hilfs- und Entwicklungshilfe-Verbund "Oxfam", der in Glastonbury für verschieden Projekte wirbt, sieht das große Potential von "Pee Power". So könnten die Urin-Verstromungsanlagen nach den Vorstellungen von "Oxfam" etwa zur Energieversorgung in Flüchtlingslagern eingesetzt werden.

Eine einzelne Brennstoffzelle, die Urin in Energie umwandelt, kostet schließlich nicht mehr als etwa 1,50 Euro. Eine ganze "Pee Power"-Toilette würde in der Anschaffung etwas über 800 Euro kosten.

Auch das ist immer noch vergleichsweise wenig, wenn man bedenkt, dass der Grundstoff für die Verstromung faktisch in unbegrenztem Maße zur Verfügung steht. Vorausgesetzt natürlich, die Urin-Lieferanten haben genug zu trinken. Aber daran dürfte es den über 170.000 Besuchern des diesjährigen Glastonbury Festivals wohl kaum mangeln.

Bier 2 min
Bildrechte: Colourbox
2 min

Belgische Wissenschaftler gewinnen Wasser und Dünger aus Pipi. Und wo bekommt man so viel Urin auf einmal her? Von Volksfesten! Na dann Prost!

MDR SPUTNIK Di 26.07.2016 18:59Uhr 01:55 min

https://www.sputnik.de/medien/audio-130798.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio
Logo MDR 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK