Girls run the world Frauentag – bitte keine Blumen

06. März 2020, 11:26 Uhr

Frauenkampftag! Feminismus! Ein Tag für uns Frauen. Nein, nicht nur für weiße heterosexuelle Frauen – intersektionaler Feminismus, also Feminismus für alle, ist gefragt. Für Transpersonen, lesbische, queere oder intersexuelle Personen, beeinträchtigte und doppelt diskriminierte Menschen, wie beispielsweise Woman of Colour, also indigene oder schwarze Frauen – für uns alle ist der Frauentag ein Kampftag, aber auch ein Feiertag. Auch für Männer.

Ja, Feminismus ist auch für Männer da – vielmehr noch, wir brauchen euch als Allys, also Verbündete. Euch alle. Darum geht es beim Frauentag – um Allianzen, um Aufmerksam-machen, um Bewusstsein, um "Check deine Privilegien", um Ungerechtigkeit, um Diskriminierung, um Gleichberechtigung und um den langen Weg bis dahin.

Ally / Unterstützer*in Eine Person, die nicht selbst Teil der (...) Community ist, aber diese aktiv unterstützt. queer-lexikon.de

Bitte keine Blumen

Um eines ganz klar vorweg zu nehmen: Bitte keine Blumen. Für mich und für viele andere gilt: Ich brauch' keine Blumen! Ich will diese gut gemeinte Aufmerksamkeit nicht. Gut gemeint ist manchmal schlecht gemacht, ne.

Ich will Gleichberechtigung – das fängt damit an, dass der Baumarktleiter mit mir und nicht meinem Freund sprechen sollte, wenn ich eine Frage habe; dass ich das gleiche Gehalt wie meine männlichen Kollegen verdiene (und es da überhaupt keine Diskussion drüber geben darf), dass die KiTa nicht zuerst bei Mama anruft, wenn das Kind Bauchweh hat und abgeholt werden muss. Dass es Vorbilder, in welcher Sparte auch immer, geben sollte, die junge Frauen erreichen... Die Liste ist lang.

An diesem Tag möchte ich also keine Blumen – ich möchte, dass diesem Tag Aufmerksamkeit geschenkt wird. Und noch einmal, aber nicht so zaghaft: Ich fordere, dass an diesem Tag feministischen Themen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass Diskriminierung, Ungerechtigkeit und dem Status quo (aka "Was läuft immer noch falsch?") ehrliche, wahrhaftige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass alle Menschen ihre Privilegien nutzen, um dieses Thema angemessen abzubilden.

Das eigene Privileg

Mein Privileg, bei MDR SPUTNIK neben fantastischen Kolleginnen arbeiten zu dürfen (ja, euch meine ich! Ganz recht, alle Moderatorinnen, Videoverantwortlichen, Verwaltungsmitarbeitenden, Redakteurinnen, Chefinnen und Praktis), nutze ich also für diesen Kommentar. Als Musikjournalistin und Bloggerin unter vielen vielen Männern und wenigen Frauen, ist mir das Thema Frauen im Musikbusiness nicht fremd. Es ist eher omnipräsent, möchte ich behaupten.

Hier muss ich direkt einmal einhaken und in meinem eigenen Text dazwischenfunken - natürlich bin ich nicht die einzige, die sich feministischen Fragen widmet und in der Vergangenheit aktiv gewidmet hat. Stellvertretend für etliche Menschen, die sich an feministischen Themen abarbeiten, deren Input die Gesellschaft und damit auch ich aufsaugen darf, möchte ich drei Autorinnen bzw. Medien einmal mehr sichtbar machen:

Das Missy Magazin steht für mich hier an vorderster Front. Neben ihnen möchte ich Esra Karakaya des neuen funk-Formats Karakaya Talk nennen und our very own Kathi Groll von MDR SPUTNIK, die das Thema nicht nur zum Frauentag auf's Tablett bringt, sondern in allen ihren Sendungen "die Frauenfrage" mitdenkt und als eine der ersten Moderatorinnen in einem Podcast darüber berichtet hat, dass es in der elektronischen Musikszene Redebarf zum Thema strukturellem Sexismus gibt.

Frauen im Musikbusiness - eine Erfolgsgeschichte?

Und jetzt kommen wir zum Kern dieses Kommentars: Frauen im Musikbusiness und ihre Sichtbarkeit. Muss dieses Thema denn wirklich, im Jahre 2020, besprochen werden? JA! Denn immer noch hakt und hapert es an unzähligen Stellen, vor allem in Strukturen, die nicht selbstverwaltet und als Kontrapunkt zu den herrschenden Verhältnissen aufgezogen werden.

Das Gegenteil von sichtbar ist, wenn zum Beispiel auf einem riesigen Festival wieder nur Männercrews und Bands auflaufen und die Bühne beherrschen, während Frauen, besonders Woman of Colour, im Festival-Line-Up entweder in die fünfte Reihe rutschen oder nur zu 10-20% (höchstens!) überhaupt vertreten sind. Sichtbarkeit ist einer der Knackpunkte - denn sichtbare Künstlerinnen haben eines: Vorbildfunktion.

Wer auf Konzerten immer nur männliche Crews in der Hauptrolle sieht, am Techniktower drei Männer stehen, die die Regler für Licht und Ton ziehen und Frauen hingegen gerne als Barpersonal dominant eingesetzt werden, kann das den Eindruck erwecken, dass man hier einen Blick in eine Männerwelt erhaschen darf. Mitmachen, dabei sein, selbst Verwantwortung tragen oder gar auf der Bühne der main act sein? Fehlanzeige. Genau hier läuft einiges unausgeglichen - man könnte auch sagen: schief!

Haltung und Solidarität sind gefragt

Ein aktuelles Beispiel ist das Think-Festival. Dort traten 2019 zwar ein paar wenige weibliche DJs auf, jedoch keine einzige von ihnen wurde als Head-Linerin gehandelt. Das Ende vom Track? Männliche DJs dominierten auf Plakaten und Werbung auf Social Media, im so fortschrittlichen woken Leipzig-Kosmos. De-düm. Darauf angesprochen traf ich zwar zwei der Festivalmacher zum Interview, die O-Töne wurden aber zurückgezogen und das anschließende Statement war so lasch, dass man es auch hätte lassen können.

Kein Einzelfall, wenn man nach den einfachen Regeln des Auszählens und Prozentrechnens einen kritischen Blick in so manche Eventkataloge wirft.

So viel also dazu. Long story short: Ja, es ist weiterhin notwendig Bookings, Festival-Line-Ups, Gagengefälle und die Haltung dahinter zu kritisieren und zu besprechen. Denn Frauen, die Musik machen, an einer Männerfront von Entscheidern immer wieder abprallen zu lassen, statt sich solidarisch für sie einzusetzen, zeigt einmal mehr: Booker und Entscheider (sowie Entscheiderinnen), die eine Haltung in dieser Debatte haben und vertreten, gibt es (noch) zu wenige.

Girls run the world

Wir machen in unserem SPUTNIK-Programm den Anfang und haben uns für einen SPUTNIK-Frauentags-Tag entschieden. Ihr bekommt in unseren Sendungen Einblick in die Welt von Musikerinnen und Frauen aus dem Musikbusiness, die sich mit dem Thema beschäftigen und euch an ihrem Wissen teilhaben lassen werden. Im Radio! Und natürlich als Podcast und zum Nachhören in unserer Mediathek.

Valentin posiert in einem weißen Kleid und schaut an der Kamera vorbei
Valentin ist am 8. März ab 21 Uhr mit einem DJ-Set bei uns im Radio zu hören. Enjoy! Bildrechte: Rachel Colless

Eine dunkelhaarige Frau, Je Saré, schaut selbstbewusst in die Kamera. Ihre Arme sind tätowiert.
Je Sarés DJ Set läuft von 22 bis 23 Uhr am Frauentag bei uns. Bildrechte: Matthew Schroeder

Und noch ganz wichtig: Ihr könnt am Sonntag gleich zwei Sets zweier neuer DJs hören. Valentin ist von 21 bis 22 Uhr zu hören und Je Saré spielt das Closing von 22 bis 23 Uhr, bevor ihr euch in die Clubs der Stadt aufmacht...

Ich wünsche allen einen kämpferischen, ausgelassenen und von Allys umsäumten Frauentag. Und denkt daran: Bitte keine Blumen.

Das Thema im SPUTNIK Programm: MDR SPUTNIK | 08.03.2020