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SPUTNIK PopkultBuchtipp: "Nackt über Berlin"

05. April 2018, 22:48 Uhr

Eine superschräge, schrullige Liebesgeschichte mit Melancholie und wunderbarer Tragikomik! Das ist der Debütroman von Axel Ranisch.

Jannik ist 17, übergewichtig, aber ein Musikgenie. Und er holt sich gern zu klassischen Sinfonien einen runter. Dabei denkt er an seinen Mitschüler Tai.

Der ist Vietnamese, Computer- und Videofreak und in Janniks Augen der schönste Junge der Welt. Zwar erwidert Tai Janniks Gefühle nur bedingt, aber eines eint die beiden laut Autor Axel Ranisch.

Die beiden sind Außenseiter in der Klasse, werden von ihren Mitschülern Fetti und Fidschi genannt und das macht sie zu einer Schicksalsgemeinschaft.

Alles ändert sich, als die beiden zufällig ihren Schuldirektor Jens Lamprecht sturzbesoffen auf dem Heimweg von einer Sauftour erwischen, seinen Absturz auf Video festhalten und ihn im Anschluss in seiner High-Tech-Wohnung einsperren. Denn Tai kann sich auch in komplexe Gebäudesicherungssysteme hacken. Für Lehrer Lamprecht folgt das böse Erwachen:

Jens erwachte auf seiner Couch. Die Welt drehte sich. Im Kopf wummerte Techno. Ein Quell stechenden Schmerzes ergoss sich von den Schläfen über den ganzen Körper. Irgendein pelziges Tier verweste auf seiner Zunge. Mit dem nackten Arsch in der Luft döste Jens wieder ein, ohne zu merken, dass an der Kamera seines Laptops ein rotes Licht zu leuchten begann. Er war auf Sendung.

Für Lehrer Lamprecht beginnt ein Alptraum. Denn irgendjemand – Jens weiß nicht, dass es Jannik und vor allem Tai sind – will sich an ihm für etwas rächen.

Lamprecht ahnt, dass es dabei um den nie ganz geklärten Selbstmord einer Schülerin gehen muss. Dass dieser scheinbar Verrückte aber soweit gehen würde, hätte auch Lamprecht nie für möglich gehalten.

Humor und Grausamkeit

Klingt simpel, ist es aber sehr viel komplexer. Denn Ranisch kurbelt die rasante Spirale des Grauens kräftig an. Vergisst dabei aber nie den Humor.

Man leidet mit dem Kotzbrocken Lamprecht. Und man möchte diesen tapsigen Jannik permanent aus seiner Verliebtheit wachrütteln. Bis der irgendwann selbst merkt, in was für eine Scheiße er sich da reingeritten hat.

Mit der Figur des Jannik hat Autor Axel Ranisch sehr viel gemeinsam:

In Punkto klassische Musik, Übergewicht, die Entdeckung der Homosexualität. Jannik ist recht nah an mir dran.  Das hat sehr beim Schreiben geholfen.

Fazit

„Nackt über Berlin“ ist eine echte Entdeckung. Hochspannend. Dabei trotzdem witzig. Und man lernt nebenbei wahnsinnig viel: über klassische Musik.

Darüber, warum der Lehrerjob so stressig sein kann. Und warum das Erwachsenwerden manchmal so unglaublich schwierig ist. Fast wünscht man sich „Nackt über Berlin“ als Pflichtlektüre im Deutschunterricht.

Das Thema im SPUTNIK Programm:SPUTNIK Popkult | 05.04.18 | 20:20 Uhr

MDR SPUTNIK ist eine Produktion des Mitteldeutschen Rundfunks