Böhmermann macht Pause

18. April 2016, 07:46 Uhr

Warum ist die Türkei sauer auf Jan Böhmermann?

Alles begann mit einem Gedicht. In seiner Sendung Neo Magazin Royal kritisierte Jan Böhmermann mit einem Schmähgedicht die politische Haltung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zugegeben, das Gedicht besticht eher durch grobe Beleidigungen als durch intelligenten Witz. Vor allem geht es dabei um Erdogans Gemächt. Über das Niveau lässt sich vortrefflich streiten. Der türkische Botschafter forderte daraufhin die Strafverfolgung des Vorfalls. Schließlich hat Böhmermann ein Staatsoberhaupt beleidigt. Der türkische Präsident hat am Montag zusätzlich noch persönlich Strafantrag wegen Beleidigung gestellt. Das könnte Jan Böhmermann theoretisch bis zu drei Jahren Gefängnis bescheren.

Aus dem Strafgesetzbuch (StGB) § 103 Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten
(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen.
[...]

§ 104a Voraussetzungen der Strafverfolgung
Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.

Wie reagierte Deutschland darauf?

Das ZDF reagierte auf die Empörung der Türkei mit der Beseitigung der Böhmermann-Sendung aus seiner Mediathek. Die Kanzlerin entschuldigte sich sogar für Böhmermann und sprach ihm damit indirekt ab, sich der Satire bedient zu haben. Und auch die Ermittlungen gegen Böhmermann hat die Bundesregierung jetzt erlaubt. Die Zustimmung war nötig, um gegen Böhmermann nach Artikel 103 zu ermitteln.

Kanzlerin Merkel sagte, es sei nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen. Deshalb würden sie die Ermittlungen zulassen. Gleichzeitig wolle die Bundesregierung den betreffenden Artikel 103, laut dem Jan Böhmermann angeklagt wird, spätestens 2018 abschaffen.

Jan Böhmermann ist erst mal raus

Der Moderator selbst gönnt sich eine Pause. Nachdem er schon nicht zur Verleihung seines Grimme-Preises am 8. April gekommen war ("Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe.", schrieb er bei Facebook), fiel zunächst seine wöchentliche Radioshow mit Olli Schulz aus. Anschließend wurde auch die für Donnerstag geplante Ausgabe seiner TV-Sendung "Neo Magazin Royale" abgesagt. Nach Merkels Entscheidung gab der Moderator nun via Facebook folgendes bekannt:

Liebe Fans des NEO MAGAZIN ROYALE, Mein Team und ich haben es uns in den vergangenen drei Jahren zur Aufgabe gemacht, die Top-Themen aus Politik, Feuilleton und Boulevard satirisch einzuordnen. In den vergangenen zwei Wochen haben wir es geschafft jedes dieser drei Presse-Levels selber einmal durchzuspielen. Daher habe ich mich entschlossen eine kleine Fernsehpause einzulegen, damit sich die hiesige Öffentlichkeit und das Internet mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla konzentrieren kann. Denn es gibt möglicherweise bedeutsamere Themen, als die Diskussion um ein in einer Satire-Sendung vorgetragenes Gedicht. Darüber hinaus ist die Redaktion davon überzeugt, dass ein weiterer Song von Dieter „Didi“ Hallervorden zum Thema unbedingt zu verhindern ist. Das, und darin sind sich hier alle einig, MUSS oberste Priorität haben! Vom Saarland bis nach Sachsen fühle ich eine Solidarität für die Sendung von der überwältigenden Mehrheit derjenigen, die nicht Präsident Erdogan sind, und dafür möchte ich mich von Herzen bedanken. Es bringt mich aber auch in eine schwierige Situation: Wenn selbst Beatrix von Storch auf einmal mit erhobenem Mauszeiger auf Seiten der Satire kämpft, über wen soll ich dann noch Witze machen? Nicht auszudenken, wenn sich auch noch Til Schweiger zwischen zwei Flaschen Emma Cuvé aus dem mallorquinischen Frühling melden würde, um mir beizustehen oder Campino und Bob Geldof plötzlich mit einem Charity-Song um die Ecke kämen. Daher verlasse ich jetzt erstmal das Land, lasse mir beim Twerk&Travel durch Nordkorea die Sache mit der Presse- und Kunstfreiheit nochmal genau erklären, bevor ich noch ein paar Tage mit meinem Segway auf dem Jakobsweg pilgere, um mich selbst zu finden. Euer Jan