Drei Fragen an die Piratenpartei

18. August 2017, 11:39 Uhr

Erst im Jahr 2006 gegründet, hat sich die Piratenpartei zur Aufgabe gemacht, die Netzpolitik gründlich umzukrempeln. Doch mittlerweile beschränken sich die Piraten nicht nur auf die digitalen Themen. Zur Bundestagswahl stellen sie gleich ein Spitzentrio: Anja Hirschel, René Pickhardt und Sebastian Alscher. Und das sind die Antworten der Piraten auf unsere drei Fragen:

1. Thema: Sicherheit

Rieke will im Sommer auf ein Festival gehen, hat seit dem Anschlag in Berlin jedoch Angst vor großen Menschenansammlungen. Thomas hat beim Shoppen im Einkaufszentrum immer noch den Amoklauf in München im Kopf. Und Sarah geht nicht mehr so gerne auf Demos, weil es dort oft zu Ausschreitungen kommt. Anschläge, Amokläufe, politische Kriminalität:

Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie ergreifen, dass Rieke, Thomas und Sarah sich in Zukunft wieder sicherer fühlen?

Antwort der Piratenpartei

Mögliche Terroranschläge und Amokläufe stellen für das Empfinden vieler Menschen leider eine reale Bedrohung dar. Als PIRATEN möchten wir Rieke, Thomas und Sarah stellvertretend ans Herz legen, die Kriminlitätsstatistiken der vergangenen Jahre zu betrachten. Die Wahrscheinlichkeit in Deutschland einem Amoklauf, einem Anschlag oder einer politisch motivierten Straftat zum Opfer zu fallen, ist wie in den Vorjahren ebenfalls im Jahr 2017 sehr gering. Gefahren im Arbeitsumfeld, im Straßenverkehr und sogar im eigenen Haushalt sind eine um ein Vielfaches höhere Bedrohung im Vergleich dazu. Dennoch: Das mulmige Gefühl durch jeden Anschlag und jeden Terrorakt, egal wo er in Europa begangen wird, bleibt.

Wir PIRATEN schlagen in unserem Programm unterschiedliche Maßnahmen vor, um auf die verschiedenen Problemlagen zu reagieren. Wir setzen innenpolitisch auf Aufklärung, Prävention und klassische Polizeiarbeit: eine bessere Ausbildung für die Beamten der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden sind aus Sicht der PIRATEN zwingend notwendig, so dass sie in Zukunft besser auf Gefahrenlagen vorbereitet sind. Die Kommunikation zwischen den Behörden auf Landes- und Bundesebene muss massiv verbessert werden. Zusammen mit unserer Forderung, wieder mehr Polizistinnen und Polizisten einzustellen hoffen wir, dass Rieke sich dann auch wieder auf Festivals traut, wo sie im Notfall auf schnelle Hilfe durch gut ausgebildete Beamte vertrauen kann. Die höhere Präsenz von Polizistinnen und Polizisten bei Veranstaltungen und Ereignissen mit hohem Gefahrenpotential wirkt zugleich abschreckend auf Menschen, die Anschläge oder Amokläufe planen.

Sicherheit auf Demonstrationen ist für uns ebenfalls ein sehr wichtiges Thema, da unsere Mitglieder ebenfalls an vielen Demonstrationen für eine bessere, gerechtere Welt teilnehmen oder sie sogar selbst organisieren. Die Wahrheit ist: fast alle Demonstrationen verlaufen friedlich! Selbst bei Großveranstaltungen wie Blockupy oder G20 verläuft das organisierte Demonstrationsprogramm größtenteils friedlich. Die Gefahr, dass eine geplante, organisierte Demonstration plötzlich umschlägt, ist grundsätzlich nicht allzu hoch. Um Sarah mehr Sicherheit bei Demonstrationen zu ermöglichen, fordert die Piratenpartei Deutschland zusätzlich konsequente Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten, so dass Gewalt, auch wenn sie von der Polizei ausgehen sollte, konsequent und umfassend aufgeklärt werden kann.

Die mediale Berichterstattung hat gezeigt, was überhaupt keine Anschläge oder andere Straftaten verhindert: Videoüberwachung. Wie im Fall von Amis Amri in Berlin zu erkennen war, hat er die Videoüberwachung des Eingangs einer Moschee genutzt, um vor ihr zu posieren. Das mag ein Extrembeispiel sein. Aber es zeigt doch, dass Kameras bei der Vermeidung von Kriminalität vernachlässigt werden können. Eine Berichterstattung, die Ereignisse weniger dramatisch aufbauscht, wäre sicherlich für alle drei Fälle hilfreich, ebenso wie eine Bekämpfung der Ursachen von Anschlägen. Die regelmässige Aussage, dass "die Dienste" den oder die Attentäter "gut gekannt haben", weckt kein Vertrauen. Erneute Forderungen nach noch umfassenderer Überwachung, damit der Täter beim nächsten mal dann "sehr bekannt war", verstärken die Angst und sind keine Hilfe.

Wir hoffen, dass sich Rieke, Thomas und Sarah mit unseren Maßnahmen sicherer fühlen, denn dafür garantieren, dass es zu keinem Anschlag oder Terrorakt mehr kommt, kann keine Partei.

2. Thema: Integration von Geflüchteten

Khaled ist 24 und vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen. Seit seiner Ankunft musste er mehrmals die Stadt wechseln, sein Asylverfahren dauerte über ein Jahr. Nun besitzt er zwar den Asylstatus und hat endlich einen Platz in einem Deutschkurs bekommen, doch er hat kaum Kontakt zur deutschen Kultur. In seinem Asylbewerberheim in einem kleinen Dorf weit weg von der Großstadt hat er sich lange Zeit isoliert gefühlt und konnte keinen richtigen Kontakt zu Deutschen knüpfen.

Wie wollen Sie Menschen wie Khaled in Zukunft besser und schneller in die deutsche Gesellschaft integrieren?

Antwort der Piratenpartei

Wir PIRATEN setzen uns für Menschen wie Khaled ein, die unverschuldet aus ihrem eigenen Land vor Krieg, Terror oder Gewalt flüchten mussten und nun in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben. Was aus unserer Sicht überhaupt nicht hilfreich ist, ist die ambivalente Haltung der deutschen Regierung zum Thema Integration: Leider wird oftmals gefordert, dass die Menschen sich integrieren, in Deutschland Fuß fassen, eine Familie, Freunde und einen guten Job finden, um sie dann bei der ersten Feuerpause in ihre gebeutelte Heimat zurückzuschicken. Auf diese Art werden sie zweimal aus ihrem Umfeld gerissen - erst aus dem ursprünglichen, dann, nachdem sie sich eingelebt haben, aus der neuen Heimat hier bei uns. Hier muss eine klare Linie her, die es Menschen, die sich einmal integriert haben, ermöglicht, eine dauerhafte Bleibe-Perspektive in Europa zu erhalten.

Wir PIRATEN halten entsprechend nichts von der Residenzpflicht und setzen uns für den Familiennachzug ein. Die in Khaleds Fall geschilderten Folgen sind da noch die harmlosesten. Uns sind Fälle bekannt, bei denen ganze Familien auseinander gerissen werden, in den jungen Menschen ein Strich durch ihre Lebensplanung gemacht werden, sie Ausbildung oder Beruf aufgeben müssen, ihre Freunde und Verwandte auch in ihrer neuen Heimat Deutschland zurücklassen müssen. Das ist unserer Ansicht nach kontraproduktiv und steht einer schnellen Integration sowie Arbeitsplatzsuche im Weg.

Schlüsselqualifikation für Integration sind möglichst gute Deutschkenntnisse. Die beste Motivation ist hier tatsächlich der Kontakt mit Menschen, die schon immer oder schon lange in Deutschland leben und die Sprache beherrschen und die Kultur kennen. Hier müssen die gesetzlichen Vorgaben bereits vor und während des Asylverfahrens sehr erleichtert werden. Auch die Angebote müssen verbessert und gefördert werden. Ansonsten verläuft Integration am effizientesten über die Vermittlung umfassender und für Deutschland typischer Allgemeinbildung und über Arbeit. Kurzum: Auch ein 24-jähriger Syrer sollte etwa an einer Abendschule oder an einem Berufskolleg noch umfassende Möglichkeiten zur Weiterbildung erhalten, vielleicht sogar verpflichtend als Grundlage einer dauerhaften Bleiberegelung. Die Voraussetzungen für Erfolg am Arbeitsmarkt verbessern sich mit einem Ausbau des Deutschkursangebots. Crashkurse, in denen täglich sechs Stunden lang über drei Monate hinweg gebüffelt wird, werden leider noch viel zu selten angeboten.

3. Thema: Hatespeech/Fake News im Internet

Lisa (16) ist täglich mehrere Stunden bei Instagram, Snapchat und Facebook unterwegs und veröffentlicht dort kleine Texte, Fotos und Videos aus ihrem Alltag. Oft bekommt sie mit, wie sich andere Nutzer heftig beleidigen oder fragwürdiges Gedankengut verbreitet wird. Wenn sie die Inhalte bei Facebook meldet, passiert aber meistens gar nichts.
Ihr Klassenkamerad Justus nutzt wie die meisten in seiner Altersklasse hauptsächlich Facebook als Informationsquelle im Netz. Dort werden aber auch Falschmeldungen verbreitet und Justus weiß manchmal nicht, was er glauben kann.

Wie wollen Sie gegen Phänomene wie Hatespeech und Fake News konkret vorgehen?

Antwort der Piratenpartei

Das einzige, was gegen "Fake News" wirklich hilft, ist Bildung, Medienkompetenz und Recherche – die notwendigen Fähigkeiten, um Quellen zu überprüfen und gegebenenfalls die Meinung des Journalisten oder Autoren von den Fakten im Artikel zu trennen. Die Vermittlung hiervon muss in der Schule deutlich früher und umfassender betrieben werden, als dies bislang der Fall ist. Denn heute gibt es, anders als früher, eine regelrechte Informationsflut – gedruckt, im Fernsehen, im Radio und vor allem online. Wer nicht schon früh lernt damit umzugehen, Inhalte einzuordnen, der kann echte von falschen Nachrichten kaum unterscheiden. Deswegen fordern wir ein Pflichtfach Informatik ab Sekundarstufe II und eine umfassendere, bessere digitale Bildung für Lehrer und Dozenten. Wobei das dann nicht aus Programmieren besteht, sondern vielmehr den Umgang mit neuen Techniken lehren soll.

 Was "Hatespeech" angeht, so sind die meisten Handlungen, die darunter zusammen gefasst werden, bereits strafbar. Hier wäre lediglich eine zuverlässige Schnittstelle zwischen Gerichten und Plattform-Betreibern notwendig und eine einfache Möglichkeit für Bürger, um Straftaten online zur Anzeige bringen zu können. Hier darf allerdings nicht auf den sogenannte „Goodwill“ der Betreiber alleine gepocht werden. Sie müssen verpflichtet werden, im Fall von Straftaten umgehend Informationen über den Verursacher bereitzustellen. Das hilft auch gegen Mobbing und andere Beleidigungen, die in den sozialen Medien leider oftmals Überhand nehmen. Auch hier ist Medienkompetenz ein Schlüsselwort: Wer weiß, dass ihm im realen Leben eine Strafe droht, wenn er im digitalen Leben jemanden beleidigt und beschimpft, der wird sich zweimal überlegen was er online postet.

 Worin wir dagegen keinerlei Mehrwert sehen, ist der Versuch, die Plattformbetreiber zu Hilfspolizisten und Richtern in Personalunion zu machen. Die Verpflichtung, Inhalte ohne Urteil innerhalb von 24 Stunden bis zu einer Woche löschen zu müssen, wird dazu führen, dass die Plattformbetreiber lieber ein wenig zu viel als zu wenig löschen, um negative rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Hier sehen wir die große Gefahr, dass die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit Schaden nehmen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Heiko Maas lehnen wir grundsätzlich ab, da es schlecht gemacht ist, private Zensur fördert und das Problem nicht im Ansatz löst.