SPUTNIK Tagesupdate Mordfall Yangjie Li: eine Chronologie der Ereignisse

04. August 2017, 17:55 Uhr

Auf brutale Weise wurde die chinesische Studentin Yangjie Li im Mai in Dessau ermordet. Der Prozess läuft seit November 2016 und einige Aussagen deuten auf Pannen bei den Ermittlungen und weitere Sexualstraftaten hin. Eine Chronologie der Ereignisse.

Yangjie Li kehrte nie vom Joggen zurück

Am 11. Mai 2016 ging die 25-jährige chinesische Studentin Yangjie Li zum Joggen los – und kam nicht mehr zurück. Ihre Leiche wurde Tage später in einem Gebüsch gefunden. „Massive Gewalteinwirkung“ nannten die Ermittler, was Yangjie Li angetan wurde.

Dringend tatverdächtig ist ein junges Paar aus Dessau, das seit Ende Mai in U-Haft sitzt. Die Frau ist selbst Mutter von zwei Kindern. Mit ihrem Partner Sebastian F. ging sie laut Anklage heimtückisch vor: Die mutmaßlichen Täter sollen einen Notfall vorgetäuscht und Yangjie Li in eine leerstehende Wohnung gelockt haben. Dort vergewaltigten sie die Chinesin anscheinend mehrmals und über mehrere Stunden, ließen sie eine Zeit lang in der Wohnung liegen und warfen sie schließlich aus dem Fenster.

Fragwürdige Rolle von Polizei und Staatsanwaltschaft

Brisant am Mordfall Yangjie Li ist, dass Mutter und Stiefvater des mutmaßlichen Täters bei der Dessauer Polizei arbeiten. Der Stiefvater leitete zum Tatzeitpunkt das Revier, die Mutter war bei den Zeugenbefragungen dabei. Deshalb kam der Verdacht auf, dass Mutter und Stiefvater die möglichen Täter geschützt haben könnten: So half der Stiefvater seinem Sohn, als der wenige Tage nach dem Verbrechen aus seiner Wohnung auszog. Den wahrscheinlichen Tatort will der damalige Polizeichef dabei nicht betreten haben. Zeugen behaupteten hingegen, dass der Stiefvater etwas aus dem Haus getragen habe. Dennoch: Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau wollte den Vertuschungsvorwürfen nicht nachgehen, da es keinen Anfangsverdacht gegeben habe.

In die Kritik geriet Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), weil die Eltern des mutmaßlichen Täters nicht sofort suspendiert wurden, nachdem der Sohn als Tatverdächtiger festgenommen wurde. Das Maß war erst voll, als die Eltern am 3. Juni eine Gartenkneipe eröffneten und ausgelassen feierten – einen Tag nach der Trauerfreier für Yangjie Li. Diese Aktion führte bei beiden Beamten zur Suspendierung.

Mutmaßlicher Täter soll mehrere Frauen sexuell missbraucht haben

Auch der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann zog Kritik auf sich: Bei einer Pressekonferenz am 24. Mai sagte Bittmann, dass Yangjie Li am Abend vor ihrem Verschwinden Sex mit den mutmaßlichen Tätern gehabt habe. Damit gab der Oberstaatsanwalt zwar nur die Version der Verdächtigen wieder, doch für die Eltern von Yangjie Li war diese öffentliche Aussage eine Katastrophe, da der Ruf ihrer Tochter dadurch beschädigt wurde. In chinesischen Medien sorgte Bittmanns Behauptung dafür, dass Yangjie Li als eine Art „leichtes Mädchen“ verunglimpft wurde.

Inzwischen sind die Ermittlungen gegen das mutmaßliche Täterpaar abgeschlossen. Aus der Anklageschrift, die jetzt veröffentlicht wurde, geht hervor, dass der 21-Jährige schon vor drei Jahren eine junge Frau in Dessau zweimal missbraucht haben soll. Unter Androhung von Gewalt soll er ihr Schweigen erpresst haben. Auch für diese beiden Vergewaltigungen ist der Verdächtige nun angeklagt.

Prozess in Dessau läuft

Mitte Januar äußerte sich erstmalig auch die zweite mutmaßliche Täterin zum Mordfall und warf ihrem Partner ebenfalls jahrelangen sexuellen Missbrauch und permanente Unterdrückung vor.

Nach eigenen Aussagen habe sie versucht die Tat zu verhindern, wurde jedoch von ihrem Partner zum Mitmachen gezwungen.Trotz einer vorbereiteten Erklärung brach die Angeklagte während ihrer Aussage immer wieder in Tränen aus, sodass die Verhandlungen mehrfach frühzeitig abgebrochen werden mussten.

Unstimmigkeiten bei den Ermittlungen

Außerdem gab es bereits zwei Zeugenaussagen von Polizisten, die den Tatort untersucht hatten. Es stellte sich heraus, dass es bei den Ermittlungen Pannen gegeben haben könnte. Der Anwalt der Eltern von Yangjie Li warf der Polizei vor, Anwohner zu spät - erst vier Tage nach den Fund der Leiche - befragt und das Haus, das zum Tatzeitpunkt von einem Gerüst umgeben war, nicht sofort auf Spuren untersucht zu haben.


Auch der Ermittlungsleiter der Polizeidirektion Süd wurde zur Aussage vorgeladen und konnte nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT viele Fragen nicht schlüssig beantworten. Er erklärte, zwar sei die Mutter des Angeklagten, die selbst Polizistin ist, in die Ermittlungsarbeit eingebunden gewesen, Zugriff auf die Ermittlungsakten habe sie aber nicht gehabt. Hinweise auf eine mögliche Einflussnahme gebe es seiner Meinung nach nicht.

Lebenslange Haftstrafe für den Haupttäter

Das Dessauer Landgericht hat den Haupttäter Sebastian F. zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Da das Gericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, kann der Angeklagte nicht nach 15 Jahren auf Bewährung entlassen werden, sondern muss weiter im Gefängnis bleiben. Die weitere Dauer seiner Haft wird dann festgelegt.

Die Mitangeklagte wurde zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt - wegen sexueller Nötigung. Außerdem müssen beide Täter zusammen 35.000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern des Opfers bezahlen. Zusätzlich muss Sebastian F. noch einmal 25.000 Euro bezahlen.

Geht der Fall in Revision?

Sebastian F. hat bereits im Gerichtssaal angekündigt, gegen das Urteil in Revision gehen zu wollen. Verteidigung und Anklage teilten nach der Urteilsverkündigung mit, die Möglichkeiten einer Revision zu überprüfen. Die Verteidiger forderten Jugendstrafen und ein Strafmaß von zehn Jahren bzw. drei Jahren. Sowohl Verteidigung als auch Anklage haben eine Woche Zeit, um eine Entscheidung bezüglich der Revision zu treffen.

Das Thema im SPUTNIK Programm: SPUTNIK Tagesupdate | 04.08.17 | 18:35 Uhr

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