Wenn Prof. Kielstein erstmal loslegt...

Medizinstudenten und Tutoren im Seziersaal des anatomischen Instituts der MLU in Halle.
Bildrechte: Saskia Hölzel

Heike Kielstein versucht während des Seminars zwei Mal ihre Runde durch alle Tische zu machen. Permanent kommen Studis zu ihr, bitten um Hilfe, haben eine Frage oder brauchen kurz ihren Rat. Frau Kielstein bleibt die Ruhe selbst und nimmt sich Zeit für alle - kein Anflug von Hektik oder Genervtsein.

Mir fällt auf, dass sie anders mit ihren Studis umgeht, als ich das von meinen Professoren in der Geisteswissenschaft gewohnt war. Da ist keine Distanz, kein Wort von oben herab, kein typisches Lehrer-Schüler-Gefühl. Sie behandelt sie fast wie ihre Ziehkinder.

Prof. Kielstein ist nicht nur kompetent, sie hat auch eine besondere zwischenmenschliche Art und Weise mit uns zu kommunizieren, sich individuelle Probleme anzuhören und Lösungen dafür zu finden. Ein bisschen wie eine Mutti!

In meinem Kopf werden das alle kleine Kielsteins - irgendwie süß!

Auch 03.00 Uhr nachts erreichbar

So langsam habe ich mich an den Anblick gewöhnt und traue mich sogar nah an den Gesichtern der Leichen vorbeizugehen oder direkt ins Körperinnere zu schauen. Der kalte Schauer vom Anfang vergeht von Minute zu Minute.

Anfassen kann ich mir trotzdem nicht vorstellen. So ging es am Anfang auch einer von Prof. Kielsteins Studentinnen. Frau Kielstein selbst hat zwar keine Berührungsängste mit den Leichen, aber wenn man bei ihr Anatomie studiert, sei das trotzdem kein Ausschlusskriterium:

Bei ihr ist es total okay, wenn man sich mal nicht wohlfühlt oder eine Sache noch nicht verstanden hat. Sie unterstützt einen super. Da kann man sogar nachts um 3 Uhr eine Mail schreiben und hat morgens definitiv eine Antwort.

Grüne Organe und gelbes Fett

Alle Studenten im Raum sind emsig wie Bienen. Langeweile und Lustiglosigkeit (wie bei manchen meiner Unikurse) gibt's hier definitiv nicht. Ich hab das Gefühl, alle im Raum haben Bock auf den Kurs - auch, weil weder Frau Kielstein noch einer ihrer Tutoren auch nur eine Spur "uncool" sind.

Und sogar ich habe nach fast 2 Stunden Anatomiekurs einiges an Wissen getankt. Jede noch so naive Ich-bin-kein-Medizinstudent-aber-Frage beantwortet mir Prof. Kielstein mit einer Engelsgeduld. Und ich verstehe sogar die Antworten - im Gegensatz zu den Fachgesprächen mit ihren Studis!

SPUTNIKerin Saskia und Frau Prof. Dr. Heike Kielstein im anatomischen Institut der MLU in Halle.
Bildrechte: Saskia Hölzel

Ich weiß jetzt, wie eine gesunde und eine kranke Leber zu unterscheiden sind, wie Tumore aussehen, wo Nierenkatheter verlaufen, wie man schon an den Organen der Menschen sehen kann, ob jemand eher dünn oder beleibt war (gelbe Strukturen sind Fett).

Oder wo die Nerven liegen, die bei heftigem Sex mal weh tun, wie eine Penispumpe im Körperinneren aussieht und dass man(n) mit einer Zyste im Hoden besser zum Arzt gehen sollte. Ganz schön viel für meine ersten 2 Stunden als Pseudo-Medizinstudentin!

Ob die Auszeichnung von Frau Kielstein zur Professorin des Jahres gerechtfertigt ist? Aber sowas von, finde ich!

Das Thema im SPUTNIK Programm: SPUTNIK Tagesupdate | 29.11.17 | 18:20 Uhr